5%-Hürde in Zürich

18. April 2014, PiratenPartei, Politik, aktion-hip, No Comments »

Als Mitglied der Piratenpartei habe ich gegen die Gemeinderatswahlen 2014 in der Stadt Zürich einen Stimmrechtsrekurs eingereicht. Mit diesem Rekurs wollen wir die 5%-Hürde bekämpfen, welche kleinere Parteien vom Parlamentsbetrieb fernhalten. Zu welchen Ergebnissen dies führen kann, hat der Rauswurf der EVP in diesem Frühling unschön aufgezeigt.

Der Bezirksrat ist auf den Rekurs eingetreten, hat ihn aber abgelehnt. Wir haben, wie das in solchen Fällen üblich ist, gegen diesen Entschluss Beschwerde eingereicht. Nun liegt das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht.

Welche Argumenten haben sich im bisherigen Verlauf des Verfahrens herauskristallisiert?

Die Stadt Zürich als Beschwerdegegnerin verweist auf einen Beschluss der Bundesgerichts (BGE 131 I 175 E. 5.4), aus welcher sie ableitet, dass eine Hürde zulässig sei, solange sie einen Grenzwert von 10% nicht überschreitet. Zudem weist sie darauf hin, dass die 5%-Hürde, welche bei den Gemeinderatswahlen zur Anwendung kommt, politisch gut legitimiert sei. Immerhin hat der Souverän im Herbst 2011 genau zu diesem Thema Stellung nehmen können und dabei die Abschaffung der 5%-Hürde massiv verworfen.

Die gute politische Abstützung der 5%-Hürde in der Stadt Zürich hat mich denn auch lange zögern lassen, das Resultat der diesjährigen Gemeinderatswahlen mit einem Stimmrechtsrekurs anzufechten. Nach einiger Bedenkzeit habe ich den Rekurs ergriffen. Grundsätzliche Überlegungen zur Funktionsweise des demokratischen Wahlprozesses haben mich dazu bewogen. Ich hoffe, mit diesem Schritt vom Bundesgericht ein klareres Votum zur Verfassungs- und Verhältnismässigkeit von Quoren zu bekommen, als es bislang vorliegt.

Demokratie ist mehr als seine Stimme abzugeben

Das heutige Demokratie-Verständnis ist von der Ansicht geleitet, dass jede Stimme grundsätzlich gleich viel wert ist. Bei Wahlen soll jede Stimme zählen und der Partei proportional zu den Stimmen, welche sie vereinigen kann, Mitwirkung im parlamentarischen Prozess ermöglichen. Ein explizites Quorum wie die 5%-Hürde hebelt diesen Gleichwertigkeits-Grundsatz aus. Alle Stimmen an eine Partei, welche an der 5%-Hürde scheitert, ist im Hinblick auf den parlamentarischen Prozess nichts mehr wert.

Das ist nur dann legitim, wenn das Parlament ohne Kleinparteien ihre Arbeit im demokratischen Prozess aus irgendwelchen Gründen besser erledigen kann als mit solchen Parteien.

Welche Gründe können für den Ausschluss von Kleinparteien sprechen?

Die beliebtesten Argument für den Ausschluss von Kleinparteien sind, dass Kleinparteien zu einer Zersplitterung des Parlaments führen, was deren Effizienz beeinträchtige und stabile Mehrheiten verunmögliche.

Was das Effizienz-Argument betrifft, so ist nicht einzusehen, warum sich die Situation verbessern sollte, wenn sich im Parlament nur Parteien treffen, welche mindestens Fraktionsstärke erreichen. Die Regeln, welche die parlamentarische Arbeit strukturieren, gelten für alle Mitglieder, ob sie nun aus einer grossen oder einen kleinen Partei stammen. Im eigenen Interesse werden sich Vertreter einer kleiner Parteien zu einer Fraktion zusammenschliessen oder einer bestehenden Fraktion anschliessen. Auf diese Weise erhalten sie viel mehr Möglichkeiten, im Sinne ihrer Interessen im Parlament etwas bewirken zu können.

Auch das Argument, eine stabile Mehrheit im Parlament trage zu dessen Effizienz bei, vermag nicht zu überzeugen. Angenommen, ein politischer Block hat im Parlament eine solche stabile Mehrheit. In diesem Fall kann dieser Block die Minderheit beliebig majorisieren. Er braucht auf die Parlamentsminderheit keinerlei Rücksicht zu nehmen. Das mag zwar effizient sein, es entfällt in einer solchen Situation allerdings jeglicher Anlass, nach Kompromissen zu suchen und auf diese Weise Lösungen zu finden, welche über eine Legislaturperiode Bestand hat. Wenn die Essenz parlamentarischer Arbeit darin besteht, Kompromisse auszuhandeln, dann können Kleinparteien im Parlament durchaus vorteilhaft wirken. Gerade weil sie nicht an grosse Blöcke gebunden sind, können sie leichter Hand bieten zu Kompromissen und auf diese Weise wechselnde Mehrheiten ermöglichen. Das mag zwar nicht stabil erscheinen. Weil es aber beweglich ist, kann das sehr effizient sein.

Welche Gründe sprechen für Kleinparteien im Parlament?

Kleine Parteien sind meistens junge Parteien, welche einer Bewegung entspringen. Nicht zu unrecht werden sie oft als Ein-Themen-Parteien wahrgenommen. Gerade dadurch können sie in einem frühen Zeitpunkt Themen in den parlamentarischen Prozess bringen, in welchem diese Themen noch nicht auf dem Radar der bestehenden Parteien aufgetaucht sind. Kleinparteien schleusen neue Themen in Gesetzgebungsprozess und tragen auf diese Weise dazu bei, dass der Gesetzes-Apparat nicht zu weit hinter den gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen hinterher hinkt.

Umgekehrt werden solche Bewegungen früh in den demokratisch-parlamentarischen Entscheidungsprozess eingebunden. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, parlamentarische Entscheidungs- und Organisationsprozesse kennenzulernen und daran zu reifen. Auf diese Weise können gesellschaftliche Bewegungen in einem frühem Stadium domestiziert werden. Dies ist meist sinnvoller, als wenn diese Bewegungen sich als aussenparlamentarische Opposition installieren müssten und mit einem militanten Instrumentarium versuchten, ihre Interessen umzusetzen.

Diese Überlegungen zeigen: Es gibt mindesten eben so viele gute und nachvollziehbare Gründe, welche für Kleinparteien im Parlament sprechen, wie solche dagegen. Solange nicht eindeutig gezeigt werden kann, dass die parlamentarische Effizienz durch das Fernhalten von Kleinparteien gewinnt, ist die 5%-Hürde nichts anderes als ein Trick der grossen Parteien, sich zusätzliche Konkurrenz vom Hals zu halten. Das bestehende Machtkartell zu schützen, ist gut für die bestehenden Parteien, aber schlecht für die Demokratie.

 


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