Austritt aus der GLP

29. March 2010, liberal, aktion-hip, 1 Comment »

Die Wahlresultate zeigen es: Die GLP ist die Partei der Zukunft. Überall, wo die Wähler eine Alternative zur SP haben, wählen sie GLP. Das wird noch eine Weile so gehen. Für mich allerdings gilt: Mein Engagement in der GLP gehört der Vergangenheit an.

Rückblickend gesehen war meine Mitgliedschaft bei der GLP von Beginn an eine Leidensgeschichte. Schon bei meiner Anmeldung im Frühjahr 2007 musste ich mehrere Monate warten (und etliche Male nachfragen), bis ich endlich Mitglied werden konnte.

Als früheres SP-Mitglied mit langjähriger Erfahrung in diversen Parteigremien (inklusive Gemeinderatsfraktion) war mir klar, dass eine Partei im Aufbau erhebliche organisatorische Mängel haben kann, dass solche Mängel aber rasch behoben werden müssen, damit die Partei schnell und trotzdem stabil und organisch wachsen kann.

Als Software-Entwickler wusste ich auch, welche Effizienz-Gewinne mit Computer-Unterstützung möglich sind. Vor allem in der Mitglieder-Verwaltung können mit zentraler Datenhaltung und dem Aufbau einer Service-Infrastruktur um diese herum viele Prozesse automatisiert werden. Damit können die wertvollen zeitlichen Ressourcen der Personen, die sich am Parteiaufbau beteiligen wollen, auf die wesentlichen Arbeiten konzentriert werden: die politisch-inhaltliche Arbeit sowie die strategische Diskussion um den Parteiaufbau.

Ich habe meine Überlegungen mit verschiedenen Personen aus allen Partei-Ebenen (Präsidium Stadt Zürich, Präsidium Kanton, Parteileitung Bund) besprochen, überall ist mir Interesse signalisiert worden und versprochen worden, meine Anregungen zu diskutieren. Auf Nachfrage bin ich aber immer wieder vertröstet bzw. ignoriert worden.

Im Frühjahr 2008 hatte mich Thomas Wirth angefragt, ob ich für die GLP-Kantonsratsfraktion ein Dokument-Management-System (DMS) entwickeln könne, um damit die organisatorische Arbeit der Kantonsratsfraktion zu entlasten. Ich realisierte dann auf der Basis des Open-Source-Systems alfresco einen Prototyp für ein solches DMS. Im Herbst 2008 zeigte sich allerdings, dass die GLP des Kantons Zürich gar keine Ressourcen hatte, eine solches System zu betreiben. Seitdem liegt das System auf der Halde, mehr als 100 Stunden Einsatz von meiner Seite wurden nutzlos vertan.

Parallel dazu lud Ende Sommer 2008 die Geschäftsleitung der GLP Kanton Zürich die ‘Stakeholder’ einer IT-Unterstützung zu einer Sitzung ein, in welcher die aktuelle Situation besprochen werden sollte. Danach vergingen wieder einige Monate, bis als Ergebnis dieser Sitzung ein Projektleiter bestimmt wurde und wieder einige Monate, bis sich mit dieser Führung die IT-Projektgruppe zu einem ersten Treffen finden konnte. An dieser Sitzung wurde uns der Projektauftrag vorgestellt: wir sollten für die Geschäftsleitung eine umfassende Anforderungsanalyse an eine zukünftige IT-Unterstützung der Parteiarbeit verfassen. Im Sommer und Herbst 2009 führten wir mit mehr als 40 Personen aus der GLP mehrstündige Interviews durch. Die Ergebnisse dieser Interviews (mehr als 100 Stunden Arbeit) liegen nun allerdings in einem unbestimmten Zustand vor: In der Zwischenzeit wurden die verantwortlichen Personen durch die anstehenden Wahlen auf Gemeindeebene absorbiert und hatten keine Zeit für weitere Projektarbeiten. Es besteht die grosse Gefahr, dass auch diese Anstrengungen ergebnislos versanden.

Neben meinen Anstrengungen für eine kohärente IT-Unterstützung und Entlastung der Parteiarbeit habe ich folgende weitere Anregungen eingebracht bzw. einzubringen versucht:

  • Partei-internes Mentoring: in Parteiarbeit erfahrene Mitglieder (vorzugsweise mit Erfahrung in parlamentarischer Arbeit) sollen neue und engagierte Mitglieder begleiten, damit diese eine realistische Perspektive für ihr Engagement entwickeln können. (Ein Mentoring-Programm in dieser Art wird neu in der SP Kanton Zürich angeboten.) Meine Anregung wurde in der Stadtpartei höfflich aufgenommen, getan hat sich diesbezüglich nichts.
  • Im Frühjahr 2009 habe ich die Bildung einer GLP-nahen Hochschulgruppe “Technologie und Gesellschaft” angeregt. Zweck einer solchen Gruppe wäre es, eine Diskussion zu führen, wie mit dem Einsatz von Technologie gesellschaftliche Probleme bewältigt werden können. Politisch interessierte Studenten oder Assistenten könnten Fragen bzgl. neuen Technologien, welche die Bundesparlamentarier beschäftigen, vertieft abklären.
    Der Vorstand der Stadtpartei hat mich aufgefordert, meinen Vorschlag zu konkretisieren. Meine weiteren Erläuterungen sind bisher nicht kommentiert worden.
  • AG Finanz und Wirtschaft: Mit meinem ökonomischen Fachwissen engagierte ich mich seit März 2008 in der städtischen Arbeitsgruppe zu wirtschaftlichen Fragen. Was diese AG parteiintern bisher bewirken konnte, ist nicht der Rede wert.

Der Höhepunkt der Demotivation erlebt im Zusammenhang mit dem Wahlkampf für die Gemeinderatswahlen 2010: mit fadenscheinigen Argumenten und auf eine Art, welche das liberale Gedankengut verhöhnt, wurde ich von der Kandidatenliste des Wahlkreises Höngg gestrichen (vgl. meinen Blog-Beitrag vom Dezember 2009).

Die GLP in ihrem heutigen Zustand wird von einem inneren Zirkel beherrscht, welcher neu dazustossenden Personen keine Möglichkeit der Partizipation bietet, zumindest nicht, wenn sie eine eigene Meinung haben. Personen mit einem frischen Engagement werden hingehalten und vertröstet. Manchmal geschieht dies aus Überforderung, oft aber ist es Berechnung. Gefragt sind in der GLP Ja-Sager, willige Arbeitstiere und Geldspender, aber nicht Personen, welche einen gegebenen Zustand gelegentlich hinterfragen.

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, die GLP zu verlassen. Ich ziehe es vor, mein Engagement in Zukunft Projekten zur Verfügung zu stellen, die meinen Einsatz mehr schätzen und wo ich mehr bewirken kann (z.B. das FrOSCamp im September 2010 an der ETH).


Eine Antwort to “Austritt aus der GLP”

  1. Andreas Bürki says:

    Kann deine Frustration vollumfänglich nachvollziehen. Mir und anderen Mitstreitern ging es genau so – “Gefragt sind Ja-Sager, willige Arbeitstiere und Geldspender” – in einem “OSS Projekt” im Bereich digitale Sicherheit – Stichworte: Identifizierung, Authentifizierung, Vertraulichkeit, Integrität, Authentizität, etc.

    Scheinbar bewahrheitet es sich, dass man die Prägung – sei es eines Menschen oder eben eines Projektes – immer am Anfang macht und alle späteren “Umerzeihungsversuche” oder Verbesserungen zu mehr Offenheit, zu mehr Aufgeschlossenheit und last but not least, zu mehr direkter Demokratie eine erfolglose – sie könnte ja auch mal erfolgreich sein – Sisyphusarbeit ist.

    Meine persönliche Schlussfolgerung: Versuchen ein jungfräuliches Projekt – oder in deinem Fall eine Partei 😉 – zu definieren und Mitstreiter mit einer ähnlichen – Clones gibt es ja bis jetzt zum Glück nicht – Einstellung zu finden und es zusammen “besser” zu machen. – Immerhin versuchen kann man es ja. 🙂

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