Anfangs Mai 2025 hat die NZZ einen anregenden Gastkommentar von Phyllis Scholl über das EU-Vertragspaket publiziert. In Ihrem Gastkommentar zeigt Frau Scholl an zwei konkreten Fällen auf, wie durch das geplante Streitbeilegungsverfahren Entschlüsse des Schweizer Volks bzw. des Parlaments übersteuert werden könnten. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass Entscheide, die wir in der Schweiz fällen, auf Grund der zukünftigen Einbindung durch die neuen EU-Verträge für nichtig erklärt werden (falls wir dieses Vertragspaket annehmen).
Offensichtlich werden wir mit der neuen institutionellen Anbindung weniger Entscheidungsfreiheit haben. Das ist sicher bedauerlich. Entscheidend ist allerdings, wie häufig solche Fälle auftreten werden. Voraussichtlich bringt das geplante Vertragspaket mit der EU auch Vorteile für die Schweiz. Die Frage ist somit: wie kann sichergestellt werden, dass die Vorteile des Vertragspakets deren Nachteile (Einschränkungen der direktdemokratischen Rechte) überwiegen.
Diese Frage kann wohl im Voraus nicht eindeutig beantwortet werden. Immerhin wäre eine Abschätzung möglich, wenn wir die Volksentscheide in der Vergangenheit betrachten und anschauen, in welchen Fällen ein Konflikt mit dem EU-Recht aufgetreten wäre.
Eine andere Vorgehensweise wäre, dass zum Vornherein eine Grenze definiert würde, welche wir als annehmbar betrachten könnten. Diese Überlegung hat mich auf folgende Idee gebracht: Wäre es möglich, einen Initiativtext zu formulieren, welcher begleitend zum EU-Vertragspaket zur Abstimmung gebracht werden könnte und eine solche Grenze definieren würde?
Der Initiativtext könnte etwa wir folgt lauten: «Wenn innerhalb von 10 Jahren Schweizer Volksentscheide fünf Mal durch das durch den EuGH korrigiert werden, kündigt die Schweiz automatisch das EU-Vertragspaket».
Mit einer solchen Initiative würde ein Automatismus festgelegt, mit welchem sichergestellt wäre, dass die zu erwartenden Nachteile eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Als Rückfallposition wäre die Situation vor Einführung der neuen EU-Verträge definiert.
Auf diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen:
- Könnte eine solche Initiative, wie ich sie oben skizziert habe, dazu beitragen, diese Diskussion zu versachlichen, weil einige als bedrohlich empfundene Unsicherheiten beseitigt würden?
- Wie müsste ein Initiativtext genau formuliert sein, dass er abstimmungsfähig wäre?
- Welche Parteien und Gruppen wären interessiert, ein solches Initiativprojekt zu tragen?