Wettbewerb ist mehr als eine Ideologie

08. September 2009, liberal, Wettbewerb, aktion-hip, No Comments »

Die Frage, ob die Wirtschaft durch staatliche Interventionen oder vom Wettbewerbs-Prinzip geleitet werden soll, ist nur vordergründig eine ideologische Frage. Letztendlich geht es um den Wohlstand der Gesellschaft, wie eine Analyse des Zusammenhangs von Wettbewerb und Innovationsfähigkeit zeigt. Die Kernfrage dabei ist, auf welche Weise gute Leistung erkannt und belohnt wird.

Die Welt mag unendlich sein, aus dem Blickwinkel eines Individuums ist sie begrenzt. Dies allein schon dadurch, dass die Lebensdauer begrenzt ist. Ein Individuum lebt demnach in einer Situation, welche durch vielfältige Knappheiten charakterisiert ist. Wir haben nicht unendlich viel Zeit, alle sich bietenden Optionen auszuwählen. Die Knappheitsbedingungen zwingen uns dazu, aus einem möglicherweise unendlichen Angebot die jeweils besten Optionen auszuwählen. Ein Leben ohne Auswahl, ohne Selektion ist nicht möglich.

Knappheit bedingt Auswahl, und Auswahl führt zu Wettbewerb. Immer, wo sich eine Person einem Angebot gegenübersieht, aus welchem sie eine Auswahl treffen muss, muss sie dieses Angebot bewerten, in eine Rangfolge bringen, um dann die beste Option auswählen zu können. Die Wahl der Individuen wird von den Anbietern als Signal interpretiert, welches ausgewertet werden kann, um das Angebot so anzupassen, dass die Anbieter bei einem nächsten Auswahlverfahren besser abschneiden. Auf diese Weise führt Knappheit über Auswahl zwangsläufig zu Wettbewerb. Die Frage, ob wir Wettbewerb wollen oder nicht, ist also verfehlt. In einer Welt mit Knappheit gibt es immer Wettbewerb. Um so wichtiger wird deshalb die Frage, welchen Wettbewerb wir wollen.

Eine naheliegende Antwort ist: der Wettbewerb soll so sein, dass der Wohlstand der Gesellschaft am meisten gefördert wird. Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen Wettbewerb und Wohlstand und was verstehen wir überhaupt unter gesellschaftlichem Wohlstand?

Der Wohlstand einer Gesellschaft besteht nicht darin, ein fixes Ziel zu erreichen, z.B. eine Utopie zu realisieren, sondern darin, die Bedürfnisse der Mitglieder der Gesellschaft zu erfüllen. Gesellschaftlicher Wohlstand bedingt immer individuelles Handeln: Eine Person A erzeugt etwas oder bietet etwas an, was den Bedürfnissen einer Person B entspricht und von dieser nachgefragt und in der Folge konsumiert wird. Der Weg zwischen Produktion und Konsumption kann in einer modernen Gesellschaft recht lang sein, d.h. es ist eine ganze Kette von vermittelnden Instanzen dazwischen geschaltet. Immer aber gilt: Das produzierte Gut oder die angebotene Dienstleistung findet seine gesellschaftliche Erfüllung ausschliesslich im individuellen Konsum. Findet ein produziertes Gut keinen Abnehmer, so ist es nutzlos, verschwendet.

Der gesellschaftliche Wohlstand steigt umso mehr, je besser die von den verschiedenen Anbietern hergestellten Produkte und Dienstleistungen den Bedürfnissen der Menschen entsprechen und je grösser der Anteil des Angebots ist, das effektiv genutzt wird. Wenn wir gesellschaftlichen Wohlstand an der Befriedigung der individuellen Bedürfnisse festmachen, so muss sich der Wettbewerb an den individuellen Bedürfnissen orientieren, um wohlstandsfördernd zu sein. Dies gelingt am besten, wenn es die Individuen sind, welche auswählen und auf diese Weise ihren Bedürfnissen Ausdruck verleihen können, denn diese wissen über ihre Bedürfnisse am besten Bescheid. Eine staatliche Institution, mag sie noch so wohl meinend sein, hat nie die Kenntnisse über die Bedürfnisse der Individuen wie die Individuen selber. Ein System, welches den Individuen die Wahlmöglichkeit wegnimmt und diese Aufgabe statt dessen den staatlichen Institutionen überträgt, wird den Anbietern immer verzerrte Signale über die Bedürfnisse der Individuen vermitteln.

Damit die Individuen aber tatsächlich auswählen können, müssen sie auch über entsprechende Mittel verfügen. Es nützt einem Individuum nichts, wenn es zwar ein Bedürfnis hat sowie eine Vorstellung, wie dieses Bedürfnis befriedigt werden könnte, wenn ihm dann die Mittel fehlen, die zur Bedürfnisbefriedigung benötigten Produkte und Dienstleistungen zu erwerben. Eine Person braucht verfügbare Mittel, um ihre Bedürfnisse als Nachfrage an einem Markt geltend zu machen.

Die zweite Voraussetzung dafür, dass eine Wahl stattfinden kann, ist, dass überhaupt eine Auswahl besteht. Es muss ein Angebot vorhanden sein, und die angebotenen Produkte müssen sich in irgendwelchen Merkmalen voneinander unterscheiden. Der heikle Punkt besteht aber darin, dass sich die Anbieter wirklich auf die Bedürfnisse der Konsumenten ausrichten. Welche Anreize hat ein Anbieter, dies zu tun?

Wird das Angebot von einem Monopolisten bestritten, so fehlt ein solcher Anreiz gänzlich. Ein Monopolist kann ganz unabhängig von den Konsumentenbedürfnissen seinen Ertrag optimieren. Erst in einer Konkurrenzsituation müssen die Anbieter ein Angebot schaffen, das sich von demjenigen der Mitbewerber unterscheidet. Dies bedingt Innovation auf Seiten des Anbieters. Aber eine solche Innovation ist nur dann wohlstandsfördernd, wenn sie den Bedürfnissen der Konsumierenden nachkommt. Wenn ein Anbieter andere Anreize hat, wenn er alternative Ertragsmöglichkeiten sieht, kann er die Konsumentenbedürfnisse straflos ignorieren.

Ein falscher Anreiz kann beispielsweise dann entstehen, wenn der Staat als Subventionsgeber aktiv wird. Damit verändert sich das Anreizsystem der Anbieter. Statt sich um Märkte und damit Konsumentenbedürfnisse zu kümmern, kann ein Anbieter seinen Erfindergeist dahingehend einsetzen, ein Angebot zu entwickeln, das am meisten Subventionen erhält. Auf diese Weise wird die Innovationsfähigkeit dieses Anbieters vom Subventionsmechanismus absorbiert, statt dass sie genutzt wird, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen.

Die Frage nach dem Zusammenhang von Wettbewerb und gesellschaftlichem Wohlstand lässt sich somit wie folgt beantworten: Der Wohlstand einer Gesellschaft ist umso grösser, je mehr Bedürfnisse sich die Gesellschaftsmitglieder erfüllen können. Dies gelingt am besten, wenn die Konkurrenz den Bedürfnissen der Menschen gilt, d.h. ein Kampf um die Aufmerksamkeit und den Zuspruch der Individuen darstellt. Die Menschen müssen auswählen können und das Resultat dieser vielen Auswahlverfahren muss als Signal möglichst ungefiltert zu den Anbietern gelangen, um dort Innovationen auszulösen. Ein Wettbewerb in dieser Form ist demnach Voraussetzung für gesellschaftlichen Wohlstand wie auch Ausdruck davon, dass die Gesellschaft die Bedürfnisse der Individuen in den Mittelpunkt stellt.

Wenn wir den politischen und wirtschaftlichen Bereich in modernen Gesellschaften anschauen, so können wir feststellen, dass in beiden Bereichen Wettbewerbsmechanismen deutlich feststellbar sind. Es lassen sich allerdings auch alternative Szenarien aufzeigen.

In der sozialistischen Gesellschaft beispielsweise wurde der Wettbewerb in beiden Bereichen konsequent eliminiert. Der politische Bereich wurde durch die kommunistische Einheitspartei bestimmt, welche für die Bürger der Gesellschaft keine politischen Wahlmöglichkeiten vorsah. Der wirtschaftliche Bereich wurde durch die sozialistische Planwirtschaft abgedeckt, Privateigentum war verboten und somit waren auch keine Märkte möglich. Im sozialistischen Menschenbild brauchten die Individuen keine Wahl, sie hatten sich der Gesellschaft, die von einer sozialistischen Elite geführt wurde, unterzuordnen. Die Geschichte hat nachdrücklich gezeigt, wie kläglich ein solches System an der Aufgabe scheitert, nachhaltig Wohlstand für die Gesellschaftsmitglieder zu schaffen.

Eine andere Haltung bekennt sich zu Wettbewerb im politischen Bereich, agiert in wirtschaftlichen Belangen aber wettbewerbsfeindlich. Diese gespaltene Haltung gegenüber dem Wettbewerb kann als sozialdemokratisch bezeichnet werden. Sozialdemokratisches Handeln im wirtschaftlichen Bereich besteht allerdings nicht darin, Eigentum oder Märkte per Gesetz zu verbieten. Eine sozialdemokratisch geprägte Wirtschaftspolitik kennt andere Mittel, um den Wettbewerb zu hemmen. Es kann vermutet werden, dass in vielen Fällen die Elimination von Wettbewerb nicht das primäre Ziel sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik ist. Die negativen Auswirkungen einer solchen Wirtschaftspolitik auf den Wettbewerb werden allerdings billigend in Kauf genommen beziehungsweise als wenig relevant abgetan.

Dies gilt beispielsweise für die sozialdemokratische Begeisterung für hohe Steuern. Mit Freude wird dargelegt, welche Gestaltungsmöglichkeiten der Staat erhält, wenn er über volle Kassen verfügt. Welcher Möglichkeiten die Individuen durch diesen Mitteltransfer beraubt werden, wird allerdings verschwiegen. Wie oben ausgeführt muss ein Individuum über freies Einkommen verfügen, damit es ein Bedürfnis an einem Markt als Nachfrage anmelden kann. Je mehr aber vom gesamten Arbeitseinkommen auf Grund von Steuern und Abgaben an die Sozialversicherung wegfallen, desto geringer wird der für den freien Konsum verfügbare Anteil. Und je kleiner dieser Konsumlohn ist, desto weniger Wettbewerb wird dadurch induziert. Es macht einen Unterschied, ob mein frei verfügbares Einkommen nur für einen Buchkauf reicht, oder ob ich nach dem Buchkauf noch genug Geld habe, um ein gutes Essen in einem Restaurant zu geniessen. Je weniger die nachfragenden Individuen entscheiden können, desto schwächer werden die Signale, welche die Produzenten über die Bedürfnisse der Konsumenten informieren.

Ein anderes Wettbewerbshindernis entsteht dadurch, dass staatliche Institutionen als Anbieter von Produkten und Dienstleistungen auf einem Markt tätig werden. Dieses Vorgehen wird üblicherweise mit einem Marktversagen oder einem Grundversorgungsauftrag legitimiert. Was die Grundversorgung betrifft, so kann ein solcher auch von einem privaten Anbieter ausgeübt werden. Wie jedes Gut kann man auch Grundversorgung einkaufen, wenn der Souverän ein entsprechendes Bedürfnis äussert und bereit ist, die Kosten zu tragen. Betreffend Marktversagen lässt sich häufig genug konstatieren, dass ein solches Versagen Folge und nicht Ursache von staatlichen Aktivitäten im wirtschaftlichen Bereich ist.

Das Problem bei staatlichen Anbietern von Produkten und Dienstleistungen entsteht dadurch, dass solche Anbieter keinen harten Budget-Restriktionen ausgesetzt sind. Ein privater Anbieter will aus wohlverstandenem Eigeninteresse Erfolg haben. Zu diesem Zweck muss er sich um die Bedürfnisse der Kunden kümmern und sein Potential optimal ausschöpfen. Wer keinen Erfolg hat, den bestraft der Markt. Weil eine Firma in privaten Händen harten Budgetrestriktionen unterworfen ist, d.h. über ein beschränktes Kapital verfügt, wird sie sich im Falle eines Misserfolgs nur für beschränkte Zeit am Markt halten können. Misserfolg bedeutet im schlimmsten Fall Konkurs, d.h. Verlust des eingesetzten Kapitals und der Arbeitsplätze. Im Normalfall wird eine erfolglose Firma von der erfolgreicheren Konkurrenz übernommen und das Management ausgewechselt. Ein erfolgreicher Anbieter dagegen kann seine Konkurrenz vom Markt drängen, indem er z.B. die Firma übernimmt, und vergrössert dadurch seinen Gestaltungsspielraum.

Für einen Staat gelten andere Gesetze, wenn er über eine seiner Institutionen als Anbieter auf einem Markt tätig wird. Ist ein staatlicher Anbieter erfolglos, so wird das Management diesen Sachverhalt damit legitimieren, dass das staatliche Unternehmen politische oder politisch gesetzte Ziele zu verfolgen habe. Gleichzeitig werden die Gewerkschaften mit dem Verweis auf den Verlust der Arbeitsplätze verhindern, dass das Unternehmen vom Staat liquidiert wird. Andere politische Akteure wiederum verhindern, dass der Staat seine Kontrollmehrheit über das Unternehmen verliert. Dieses Umfeld führt dazu, dass ein staatliches Unternehmen keinen harten Budgetrestriktionen ausgesetzt ist. Im Notfall steht immer wieder ein staatlicher Kredit zur Verfügung, welcher das Unternehmen vor dem Untergang rettet. Dies kann nun beispielsweise dazu missbraucht werden, dass ein staatliches Unternehmen die Preise über längere Zeit künstlich niedrig hält und mit einer solch ruinösen Preispolitik die Konkurrenz aus dem Markt treibt. Hat das Unternehmen in der Folge einen Monopol erreicht, kann es sich auf Kosten der Konsumenten wieder sanieren. Von der Wettbewerbsbehörde hat das staatliche Unternehmen wenig zu befürchten, da der Staat als Eigentümer des Unternehmens gleichzeitig der Wettbewerbsbehörde vorsteht.

Weil die privaten Konkurrenten des staatlichen Unternehmens wissen, dass sie schlechte Karten gegenüber dem staatlichen Anbieter haben, werden sie beim Eindringen eines solchen Unternehmens ihre Investitionstätigkeiten in diesem Markt reduzieren. Gleichzeitig werden potentielle private Eindringlinge in diesem Markt sich diesen Schritt zweimal überlegen wenn sie wissen, dass sie gegen eine staatliche Konkurrenz kämpfen müssen. Auf diese Weise hemmt nur schon die Existenz eines staatlichen Anbieters den Wettbewerb in diesem Bereich. Und weil der staatliche Anbieter keinen harten Budgetrestriktionen ausgesetzt ist, muss er sich weniger um seinen Erfolg und damit um die Bedürfnisse der Konsumenten kümmern. Diese Faktoren führen dazu, dass der Wettbewerb gehemmt wird, wenn der Staat aktiv als Anbieter an Märkten auftritt.

Ein weiteres wettbewerbswidriges Element sind Subventionen. Der Sinn von Subventionen ist, in einem gewissen Marktsegment Anbietern zu einem Einkommen zu verhelfen, die in diesem Markt keine Chancen haben. Die Verteilung von Subventionen ist von politischen Überlegungen gesteuert. Der Effekt von Subventionen ist, dass die Anbieter unabhängig von den Bedürfnissen der Konsumenten werden. Statt dessen werden sie abhängig von den Subventionsverteilungsmechanismen. Der Wettbewerb wird demnach verlagert. Statt dass sich ein Wettbewerb um die Gunst der Konsumenten abspielt, spielt er sich um die Gunst der Wächter über die Subventionstöpfe ab. Doch weil eine staatliche Behörde immer weniger weiss über die Bedürfnisse der Gesellschaftsmitglieder, wird bei einem solchen Wettbewerb das potentiell in der Gesellschaft vorhandene Innovationspotential suboptimal genutzt.

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die Anreize richtig zu setzen. Weil das Leben ohne Knappheit nicht möglich ist, wird es immer eine Form von Auswahl geben. Und immer wo eine Selektion erfolgt, findet in irgend einer Form Wettbewerb statt. Auch in einer sozialistischen Einparteiherrschaft findet Wettbewerb statt, z.B. der Wettbewerb um Posten in der Parteihierarchie. Doch dieser Wettbewerb erzeugt keinen Wohlstand. Wo die Individuen ihren Erfindergeist im Schmieden von strategischen Machtspiele um Parteipositionen verschwenden, kann keine Innovation entstehen, die den gesellschaftlichen Wohlstand steigert.

Damit eine Gesellschaft ihren Wohlstand nachhaltig mehren kann, muss sie den Erfindungsreichtum der Gesellschaftsmitglieder als Hebelarm benutzen. Es gilt, die Bedürfnisse der Konsumenten auf optimale Weise mit der Innovationsfähigkeit der Anbieter zu koppeln. Der Wettbewerb im wirtschaftlichen Bereich schafft diese Koppelung, weil die Individuen mit ihrem Kaufentscheid die innovativen Anbieter belohnen. In einem solchen System sind die Anreize innovatives Verhalten richtig gesetzt.

Der marktwirtschaftliche Wettbewerb ist ein Auswahlverfahren, welches durch unzählige Entscheidungen von unabhängigen Individuen bewirkt wird. Jedes Auswahlverfahren ist letztlich ein Gestaltungsprozess. Langfristig wird diejenige Gesellschaft am meisten Wohlstand schaffen können, der es gelingt, die Mitglieder der Gesellschaft am effektivsten mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen in diesen Gestaltungsprozess einzubinden. Im politischen Bereich ist die Demokratie die geeignete Methode, dies zu erreichen. Im wirtschaftlichen Bereich kann dies am besten durch den marktwirtschaftlichen Wettbewerb erzielt werden.


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