Die grosse Unruhe in den Startlöchern

19. September 2014, Krise, liberal, aktion-hip, No Comments »

Wohl noch selten ist eine Krise derart erwartet worden wie die Nächste. Alle wissen, dass die Finanzmarktkrise 2008 und die Schuldenkrise 2010 nur notdürftig überkleistert worden ist. Alle warten nun auf den richtigen Auslöser für den nächsten Crash.

Was dieser Auslöser sein wird, weiss keiner. Deshalb ist es unmöglich, den Zeitpunkt des Absturzes vorherzusagen. Es kann irgendein Anlass sein. Was im vornherein über diesen Auslöser gesagt werden kann, ist folgendes: Er muss erstens genug Erschreckungspotential aufweisen. Es muss ein Ereignis sein, bei welchem genügend viele Personen denken: „So, das ist es jetzt“. Es muss ein Startschuss sein, welcher die Herde in eine wilde Panik versetzt. Das zweite Merkmal, welches der nächste Absturz aufweisen wird, betrifft das Verhalten der Zentralbanken. Wiederum werden diese versuchen, mit neuen unorthodoxen Massnahmen die Situation zu beruhigen. Nur werden diesmal für alle erkennbar solche Massnahmen keinerlei positive Auswirkungen zeigen. Die Wunderwaffen der Zentralbanken sind stumpf geworden.

Wie der erste Tag nach der nächsten Krise aussehen wird, ist ebenso im Dunkeln wie sein Zeitpunkt. Bloss eines ist klar: alle werden aus ihren Löchern gekrochen kommen und ihre Zeigfinger erheben und anklagen, sie hätten es schon immer gewusst. Als nächstes werden sie ihre Zeigfinger auf eine lange Liste legen und uns zu verstehen geben, was die Ursachen dieser neuen Krise sei. Zufällig tauchen auf dieser Liste genau jene Punkte auf, wogegen diese Personen schon immer angekämpft haben. Mit anderen Worten: die nächste Krise wird all jene Personen aus dem Busch locken, die schon früher als Querulanten und Schwarzmaler bekannt waren. Es sind die Populisten und Möchtegern-Revolutionäre, die als erste aus ihren Startlöchern kommen. Sie haben es schon immer gewusst und das neu gewonnene Publikumsinteresse wird sie in höchste Erregung versetzen und ihren Aktivismus auf ein Spitzenniveau treiben.

Wie bei allen Krisen werden auch bei der Nächsten die Armen die ersten sein, welche unter die Räder kommen. Arme Menschen verfügen nicht über die Ressourcen, um sich gegen Schocks zu schützen. Sie sind den Änderungen, die durch die Krise ausgelöst werden, unmittelbar ausgesetzt. Wohlhabende Personen dagegen haben ein Schutzpolster. Sie können ihre Ressourcen einsetzen, um dem unmittelbaren Schock auszuweichen. Sie können sich Zeit verschaffen, um sich an die geänderten Bedingungen in der Krisensituation anzupassen. Reichtum besteht in diesem Fall nicht nur in materiellen Ressourcen. Auch soziale Ressourcen, ein funktionierendes soziales Netz beispielsweise, kann in einer solchen Krisensituation Schutz bieten.

Gefährdet sind auch Personen, welche sich einen gewissen materiellen Wohlstand vorgaukeln, indem sie sich ihren Konsum über Schulden finanzieren. Wie Länder mit einem grossen Schuldenberg haben auch Personen mit vielen Privatschulden im Fall eines Wirtschaftsschocks keinerlei Widerstandsfähigkeit.

Die Situation solcher Personen hat Ursachen, die als pervers bezeichnet werden müssen. Ob eine Person sich in Schulden stürzt, hängt nicht nur von ihrem Verhalten oder ihren Bedürfnissen ab, sondern auch davon, wie leicht es ist, Schulden zu machen. Wenn das Geld fast nichts kostet, wie das in den letzten Jahren der Fall war, so werden die Akteure zu riskantem Verhalten verleitet, Schuldner werden belohnt und Sparer bestraft.

Die Zentralbanken wollten mit diesen Eingriffen den Krisenstaaten Zeit schenken, damit diese ihren maroden Staatshaushalt sanieren und Massnahmen gegen die strukturellen Probleme ergreifen könnten. Auf diese Weise sollte die Basis für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum gelegt werden. Dies ist allerdings bisher nur in den seltensten Fällen geschehen. Stattdessen wurden die Konsumenten verleitet, auf der Welle des billigen Geldes mitzureiten und sich in Schulden zu stürzen.

Mit anderen Worten: Die Schuldenkrise der Länder hat zu einer Schuldenkrise der Privathaushalte geführt, wobei die Zentralbanken mit ihren unorthodoxen Massnahmen den Transmissionsriemen für diese Entwicklung lieferten. Als Folge davon agieren nicht nur auf der Makro-, sondern auf der Mikro-Ebene sehr viele Akteure weitgehend ungeschützt. Im Falle eines nächsten Schocks sind all diese Akteure extrem absturzgefährdet.

Diese Entwicklung ist aus folgendem Grund problematisch: Personen, welche mit billigem Geld verführt werden können, sich in Schulden zu stürzen, werden im nächsten Crash ebenso mit billigen Schuldzuweisungen und Heilsversprechungen verführt werden können, hinter neuen Führern herzulaufen. Sie werden das Fussvolk bilden, welches den Populisten applaudiert, wenn diese ihnen erklären, ihre Probleme seien durch irgendwelche bösen Mächte oder schlechten Systeme verursacht, nur nicht durch ihr eigenes unvorsichtiges Verhalten. Wer heute dem billigen Geld verfällt, wird kaum in der Krise zur Besinnung kommen und seine Situation mit Geduld und Mass bereinigen. Viel eher wird er jeden Strohhalm ergreifen, der ihm mit dem Versprechen hingehalten wird, er könne schnell und schmerzlos der Misere entfliehen, auch wenn solche Versprechen nur kurzlebig sind.

Jede Krise hat auch ihre Profiteure. Die einen profitieren materielle, indem sie beispielsweise billig den Besitz von Personen, welche in Not geraten sind, übernehmen können. Andere spielen sich als Weltverbesserer und missbrauchen die Not der Krisenopfer, um ihr politisches Programm durchzusetzen. Sie bieten sich als Rächer für die erlittene Not solcher Personen an und versprechen, Gerechtigkeit wiederherzustellen. Durch sie wird die Krise zu einem Nährboden für radikale Kräfte, welche gesellschaftliche Experimente mit ungewissem Ausgang wagen wollen.

Ich hoffe trotzdem, dass auch in der nächsten Krise der gesellschaftliche Zusammenhalt in der Schweiz gross genug ist und wir nicht in einem Akt der Ungeduld und Dummheit die Grundlagen unseres Wohlstands aufs Spiel setzen.


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