Handys in Afrika und das Vorsorgeprinzip

07. June 2010, Experten, liberal, Wettbewerb, aktion-hip, No Comments »

In der Mai-Ausgabe 2010 des NZZ Folios findet sich ein aufschlussreicher Artikel “Viehhandel per SMS” (von Markus Haefliger) über die erstaunliche Verbreitung, die das Handy in Afrika gefunden hat. Der Autor zeigt den grossen Nutzen an, welcher der Gebrauch der Mobil-Telefonie für die Bevölkerung gebracht hat:

  • Mit dem Handy kann Geld transferiert werden, was sich auch für sehr kleine Summen noch lohnt. Damit entfallen die aufwendigen und unsicheren Ãœberweisungen per Geldbote.
  • Kenianische Bauern können ihr Saatgut versichern lassen. Bei einem Ernteausfall wegen Dürre oder anderen Katastrophen können sich solcherart versicherte Bauern für die nächste Ernteperiode zumindest wieder gleichwertiges Saatgut leisten. Dies stellt eine kleine, aber wirkungsvolle Massnahme gegen den Teufelskreis dar, welcher als Folge einer Dürre droht. Die Versicherung wird per SMS abgeschlossen.
  • Die Fischer in Kenia können, mit einem Handy ausgerüstet, ihren Fang schon auf dem Boot während der Rückfahrt verkaufen. Sie sparen so den Zwischenhandel und damit Kosten von rund einem Drittel der Tageseinnahmen.

Die wenigen Beispiele zeigen: Der Nutzen der Mobiltelefonie in Kenia ist flächendeckend. Kenia ist ein Entwicklungsland, aber 95% der Bevölkerung leben im Empfangsbereich eines Telefonnetzes, die Durchdringung der Mobiltelefonie wird auf 50% geschätzt.

Wenn in den Industrieländern über Mobiltelefonie diskutiert wird, so ist meistens nicht vom Nutzen die Rede, sondern vom Schaden. Der mediale Dauerbrenner in diesem Zusammenhang ist die Handystrahlung. Seit es Mobiltelefone gibt, bewegt die Sorge um die möglichen Gesundheitsschäden durch die Handystrahlung die Bevölkerung. Die Strahlenbelastung ist im Verlauf der Jahre, dank dem immer engeren Antennennetz und auch dank den strengen Vorgaben für die Mobilgeräte, deutlich gesunken. Diverse wissenschaftliche Studien haben schon versucht, einen Zusammenhang zwischen Gesundheitsschäden und Mobiltelefonie zu finden. Bisher konnte keine solcher Beziehung nachgewiesen werden.

Mobiltelefonie ist ein typisches Produkt des technologischen Wandels der neusten Zeit. Grosse Teile der Bevölkerung in den Industriestaaten stehen technologischen Innovationen äusserst reserviert gegenüber. Diese Technologie-kritischen Haltung kristallisiert in gewisser Weise im Vorsorgeprinzip. Dieses verlangt, dass eine potenziell umweltbelastende Verhaltensweise unterbunden werden soll, wenn deren Umweltschädlichkeit denkbar oder zumindest nicht unwahrscheinlich ist. Im Namen des Vorsorgeprinzips wird explizit eine Umkehr der Beweislast gefordert: Es sind die Hersteller, die beweisen müssen, dass ihre Produkt-Innovationen unbedenklich sind.

Am Beispiel der Handy-Nutzung in Kenia lässt sich schön zeigen, wie verfehlt dieses Vorsorgeprinzip ist. Hätte eine “Vorsorgeinstanz” vor 10 oder 15 Jahren entscheiden müssen, ob die Mobiltechnologie erlaubt werden solle: auf Grund von welchen Ãœberlegungen hätte diese entscheiden sollen? Vor 10 oder 15 Jahren war der immense Nutzen, den die Mobiltelefonie für die Bevölkerung in Kenia (und anderen afrikanischen Ländern) bringt, in keiner Weise absehbar. Schon von Anfang an war aber die Gefahr der Handystrahlung ein Diskussionsthema. So wenig, wie heute bewiesen werden kann, dass Handystrahlung keine gesundheitliche Gefährdung darstellt, so wenig war das vor 10 Jahren der Fall. Das einzige, was festgestellt werden kann, ist, dass keine gesundheitlichen Schäden aufgrund der Strahlenbelastung durch die Mobiltelefonie nachgewiesen werden konnten. Für das Vorsorgeprinzip genügt das allerdings nicht. Gemäss dem Vorsorgeprinzip hätte demnach die Ausbreitung der Mobiltechnologie gestoppt werden müssen. Damit wäre aber der beachtliche Entwicklungsschub, der in Kenia durch ebendiese Technologie möglich geworden ist, verhindert worden.

Dieses Beispiel zeigt deutlich: Das Vorsorgeprinzip ist ein untaugliches Instrument, um das Potential und die Gefahren von technologischen Innovationen in den Griff zu bekommen.


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