Erbschaftssteuer-Initiative: Kinder oder Staat?

12. May 2015, liberal, Politik, aktion-hip, No Comments »

Die Befürworter der Erbschaftssteuer-Initiative bezeichnen ihr Vorhaben als gerecht, weil auf diese Weise das Vermögen gleicher verteilt werden könne. Die Argumente der Befürworter spielen vorwiegend auf einer abstrakten und völlig unpersönlichen Ebene.

Im Gegensatz zu dieser abgehobenen Betrachtung finde ich folgende, ganz praktische Überlegung relevant. Ich habe im Verlauf meines Lebens ein Vermögen erarbeitet und soll nun wählen, wer mit diesem Vermögen nach meinem Tod umgehen soll. Wem traue ich einen sorgfältigeren und vernünftigeren Umgang mit diesem Vermögen zu: meinem Kind oder dem Staat? Wenn ich mich bei dieser Frage für den Staat entscheide, dann ist es konsequent, dass ich bei der Erbschaftssteuer-Initiative ein Ja einlege. Ich müsste mich dann allerdings fragen, wie gut ich meine Kinder erzogen habe.

Falls ich mich um die Beantwortung dieser Frage drücke, weil die Steuer erst ab einem Betrag von Fr. 2 Mio greift und mich deshalb nicht betrifft, dann bewege ich mich auf einem in demokratischer Hinsicht höchst fragwürdigen Pfad. Dann befürworte ich nämlich, dass sich eine Mehrheit ungeniert am Vermögen einer Minderheit bedienen kann.

Dieser Text ist am 11. Mai 2015 in der NZZ als Leserbrief publiziert worden.


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