Die SP auf europapolitischer Gratwanderung

17. August 2018, linke Mythen, Politik, aktion-hip, No Comments »

Gerne würde ich sehen, wie die Gewerkschaften an der Seite der SVP in einer Abstimmung gegen die EU kämpfen. Ich kann mich an die EWR-Abstimmung 1992 erinnern, als Teile der Grünen ebenfalls mit der SVP eine unheilige Allianz eingegangen waren und mit ihrer Argumentation grandios untergingen. So weit wird es diesmal wohl nicht kommen. Rechsteiner und Levrat sind kühl kalkulierende Machtpolitiker. Das Kalkül ist einfach: Neben einer sturen SVP braucht es wenig, um eine Vorlage, welche eine Annäherung an die EU bewirkt, zum Scheitern zu bringen. Darum wird eine solche Vorlage gar nicht zur Abstimmung gebracht bzw. allfällige Mehrheitsbeschaffer werden rechtzeitig mit einem zählbaren Entgegenkommen ins zustimmende Lager gebracht. Mit ihrer konfrontativen Haltung heute sichern sich die Gewerkschaften ihre Beute für die Zukunft. Das wird für die Gewerkschaften aufgehen. Ob es auch für die SP aufgeht, ist eine andere Frage.

Massgebend wird sein, wie die linkliberale Presse das Verhalten der SP beurteilt. Für das linksliberale Publikum ist es wichtig, in der SP einen verlässlichen Partner für eine weltoffene Politik zu finden. Wenn nun der Eindruck entsteht, dass es die SP mit ihrer Annäherung an die EU, wie sie das in ihrem Parteiprogramm postuliert, gar nicht ernst meint, stösst die SP möglicherweise einen wichtigen Teil ihrer Wählerschaft vor den Kopf. Damit das nicht passiert, braucht die SP eine geeignete Interpretation der aktuellen Geschehnisse. Beispielsweise könnte eine SP-freundliche Presse versuchen, die EU-Kritik an der Acht-Tage-Regelung als Angriff einer wirtschaftsfreundlichen Lobby innerhalb EU auf den Schweizer Lohnschutz darzustellen. Auf der Basis einer solchen Interpretation könnte die SP dann erklären, dass sie sich nach wie vor für die richtige, die eigentliche EU einsetze, im aktuellen Fall aber einen rein wirtschaftlich gesteuerten Irrlauf der EU bekämpfe.

Auf jeden Fall befindet sich die SP auf einer europapolitischen Gratwanderung. Die Zukunft wird zeigen, ob die Partei ohne Absturz an ihr Etappenziel kommt.

Überlegungen zu den Artikeln «Bedauern über Dialog ohne Gewerkschaften» und «Genossen, wie habt ihr’s mir Europa», NZZ vom 9.8.2018


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