Kommentar zu P.R. Vogts COVID-19-Zwischenbilanz

13. April 2020, ... alles andere, aktion-hip, No Comments »

Vor einigen Tagen veröffentlichte der Herzchirurg Paul Robert Vogt einen kritischen und emotionalen Kommentar «COVID-19 – eine Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen».

Ich finde Vogts Ausführungen insgesamt gut strukturiert, fakten- und detailreich.

Ich finde es deshalb sehr schade, dass es Vogt nicht gelingt, seine zentrale Aussage zu beweisen und mit Fakten zu unterlegen. Es geht um die Aussage am Schluss seines Vorworts:
Hätte man diese medizinischen Fakten zur Kenntnis genommen und wäre man fähig gewesen, Ideologie, Politik und Medizin zu trennen, wäre die Schweiz heute mit grosser Wahrscheinlichkeit in einer besseren Lage: wir hätten pro Kopf nicht die zweitmeisten COVID-19-positiven Leute weltweit und eine bedeutend kleinere Zahl an Menschen, welche ihr Leben im Rahmen dieser Pandemie verloren haben. Zudem hätten wir mit grosser Wahrscheinlichkeit keinen partiellen, unvollständigen «Lock-down» unserer Wirtschaft und keine kontroversen Diskussionen, wie wir hier wieder «herauskommen».

Vogt gibt zwar Beispiele an, welche darauf hinweisen, dass die Möglichkeit einer Corona-Pandemie zu lange ignoriert worden ist. Es gelingt ihm allerdings nicht zu zeigen, mit welchen Massnahmen die Ausbreitung von Covid-19 in der Schweiz gestoppt und die massiven Folgen auf die Schweizer Gesellschaft (lockdown) hätten verhindert werden können.

Insbesondere schlägt Vogts Beweisführung bei zwei wichtigen Aussagen fehl.

1. Das Krisenmanagement der Schweizer Regierung

Vogt wirft der Schweizer Regierung vor, sich trotz eindeutigen Warnung bis Ende Februar 2020 nicht korrekt auf die Corona-Pandemie vorbereitet zu haben. Zumindest, so Vogt mit einem konkreten Vorschlag, hätte die Schweizer Regierung anordnen können, dass die Vorratslager mit Masken, Desinfektionsmittel und medizinischem Material aufgefüllt werden. Darüber hinaus wirft Vogt der Schweizer Regierung vor, dass nicht sie, sondern die Regierungen von Österreich und Italien die Grenzen dicht gemacht hätten.

Meiner Meinung nach ist das vordringlichste Ziel der Massnahmen, welche eine Regierung im Falle einer Pandemie erreichen soll, die Kurve der Neuinfektionen abzuflachen. Wie die Zahlen auf https://www.corona-data.ch/ zeigen, wurde dieses Ziel mit den in der Schweiz ergriffenen Massnahmen erreicht. Bemerkenswert ist, dass dieses Ziel ungefähr in der gleichen Zeitspanne wie in Österreich erreicht worden ist, allerdings mit weniger einschränkenden Massnahmen. Ich weiss nicht ob mit gefüllten Lagern dieses Ziel schon früher oder besser hätte erreicht werden können. Im Vergleich mit den in Österreich und Italien ergriffenen Massnahmen erscheinen mir die Massnahmen der Schweizer Regierung aber als effizienter und effektiver. Ich bin jedenfalls froh, dass ich nicht mit einer Maske Joggen und Einkaufen gehen muss.

2. China-Bashing

Zudem behauptet Vogt, dass die Schweiz an einem China-Bashing leide und dass dieser Sachverhalt es der Schweizer (und anderen europäischen) Regierung verunmöglichte, die korrekten Massnahmen zu ergreifen. Wörtlich behauptet Vogt: «wegen seiner Arroganz, seiner Ignoranz und seines unsäglichen Besserwissertums» sei Europa das weltweite Zentrum der Pandemie geworden.

Ich weiss nicht, wie man China-Bashing definiert und beweisen kann. Dass in Schweizer Medien kritische oder vielleicht auch dümmliche Bemerkungen zu China stehen, dürfte wohl kein Beweis für ein China-Bashing sein. Mit Sicherheit gibt es auch in chinesischen Medien kritische und dümmliche Bemerkungen zur Schweiz oder anderen europäischen Ländern. Ich glaube nicht, dass das etwas beweist, es sei denn, dass es ein weltweites Bashing aller gegen alle gibt. Auch der Hinweis auf amerikanische Wissenschaftler, welche mit chinesischen Wissenschaftlern zusammenarbeiten, überzeugt nicht, zumindest nicht als Beweis, dass Amerika gegen China-Bashing gefeit ist. Es braucht nur wenige Minuten Google-Recherche, um auch Schweizer Wissenschaftler zu finden, welche erfolgreich mit chinesischen Wissenschaftlern zusammenarbeiten und hochwertige Studien erzeugen.

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