Diese Inflation markiert den Anfang der nächsten Krise

12. November 2021, Krise, aktion-hip, No Comments »

Lange Zeit sind wir in den westlichen Ländern von einer Inflation verschont geblieben. Das hat sich in diesem Jahr geändert. Die Inflation werde nur von kurzer Dauer sein, versuchen uns die Chefs der Notenbanken zu beruhigen. Dieses Versprechen dürfte aus zwei Gründen falsch sein.

Der erste Grund für eine länger andauernde Inflation sind die Probleme in den weltweiten Lieferketten. Eine wesentliche Ursache für diese Probleme ist die graduelle Entkopplung Chinas aus dem Weltmarkt. Diese Entkopplung ist politisch begründet und wird in absehbarer Zeit nicht revidiert.

Trotz den Interventionen, welche die Notenbanken in der Folge der Finanzmarkt- und europäischen Schuldenkrise starteten, gab es in den letzten 20 Jahren in den industrialisierten westlichen Ländern keine nennenswerte Inflation. Angesichts einer Zunahme der Geldmenge in einem noch nie gesehenen Ausmass warnten Experten wiederholt vor einer Inflation. Weshalb wurde diese Erwartung bisher nicht erfüllt?

Ausser im Luxussegment reagieren die Konsumenten sehr sensibel auf Preissignale. Gibt es bei einem Produkt Preiserhöhungen, erwarten die Konsumenten mehr Qualität, sonst weichen sie auf ein Konkurrenzprodukt aus. Diese Erwartungshaltung auf Käuferseite verhinderte in den letzten Jahren eine Inflation.

Umgekehrt herrschte auch auf Anbieterseite kein Inflationsdruck. Einerseits erlaubten die harten Wettbewerbsbedingungen den Anbietern keine Preiserhöhungen. Andererseits konnten die Anbieter dank konstanten Innovationen, vor allem getrieben durch die Digitalisierung, ihre Produktivität erhöhen. Auf Grund dieser gesteigerten Produktivität konnten die Produzenten Gewinne erwirtschaften, ohne die Preise ihrer Produkte zu erhöhen. Diese schöne Wirtschaftswelt für Produzenten und Konsumenten kommt nun zu einem Ende.

Mit den Lieferengpässen haben die Anbieter ein gutes und nachvollziehbares Argument für Preiserhöhungen zur Hand. Weil alle beteiligten Parteien eine Inflation erwarten, handeln sie entsprechend. Dies heizt die Lohn-Preis-Spirale erst richtig an. Die Angestellten und Gewerkschaften fordern höhere Löhne. Diese werden ihnen (vielleicht mit Abschlägen) gewährt, weil die Firmen davon ausgehen, die erhöhten Produktionskosten auf die Preise überwälzen zu können. Die Inflation ist da und sie wird sich nicht auf Grund irgendwelcher Basiseffekte verflüchtigen. Die Inflation ist da, weil und solange die entsprechenden Inflationserwartungen da sind.

Nebe Lieferkettenproblemen, verursacht durch Chinas geänderter Einbindung im Weltmarkt, gibt es noch einen zweiten Grund, welcher den Anbietern Preiserhöhungen erlaubt. Im Gefolge der Covid-Pandemie beschlossen viele Staaten Hilfsprogramme in Milliardenhöhe. Die entsprechenden Budgets sind von den Parlamenten inzwischen bestätigt worden. Nun steht das Geld bereit, von den Behörden ausgegeben zu werden. Wenn ein Konsument für seinen privaten Einkauf Geld ausgibt, dann kauft er preisbewusster ein als ein staatlicher Einkäufer. Letzterer kauft nicht mit seinem eigenen Geld ein, da kann er sich grosszügiger zeigen. Weil die Produzenten solche Mechanismen kennen, werden sie die Gelegenheit nutzen, im Kontakt mit offiziellen Stellen höhere Preise verlangen und diese auch bezahlt bekommen. Somit können wir prognostizieren: Mehr Geld in staatlicher Hand führt ganz allgemein zu Preissteigerungen.

Was Bedeutet das für die Entwicklung der Wirtschaft?

Die Notenbank-Chefs versuchen nicht grundlos, die Inflation als vorübergehendes Phänomen darzustellen. Sie tun das verzweifelt, weil eine länger andauernde Inflation ihr geldpolitisches Kartenhaus zusammenbrechen lässt. In der hehren Absicht, den Politikern Zeit für die notwendigen strukturellen Reformen zu geben, fluteten sie den Geldmarkt und gleichzeitig manipulierten sie die Zinskurve. Mit dem Quantitative-Easing-Programm drückten sie die Zinsen auf Staatsanleihen nahe an die Null-Prozent-Marke. Die Politiker verstanden das Signal und blähten unverzüglich die Staatsschulden auf. Mit dem geliehenen Geld führten sie allerdings keineswegs strukturelle Reformen durch, sondern sie sicherten sich die Wählergunst mit Geschenken an ihre Wählerschaft. Als Folge dieser verheerenden Eingriffe stehen die meisten Staaten nun schlechter da als unmittelbar nach der Finanzmarkt- und Schuldenkrise. Nun kommt noch die Covid-Krise dazu.

Die Notenbanken haben nun die Wahl zwischen kalter und aufgewärmter Scheisse, um in den Worten Bukowskis zu sprechen. Entweder sie setzen ein Signal gegen die Inflation und erhöhen die Zinsen. Das bringt die überschuldeten Staaten in die Krise. Oder sie lassen die Inflation treiben, was allerding bei der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe stossen wird. Menschliches Verhalten ist von Verlustaversion geprägt. Wenn die Bevölkerung sieht, dass ihre Ersparnisse wegschmelzen, wird das grossen Unwillen hervorrufen.

Wie auch immer sich die Notenbank-Chefs entscheiden, in jedem Fall wir uns eine übelriechende Suppe angerichtet, welche wir dereinst auslöffeln müssen.


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