Die SP hat sich aus dem Spiel genommen

30. September 2022, linke Mythen, Politik, Renten, aktion-hip, No Comments »

Nachbetrachtung zur Abstimmung über AHV-Reform (am 25. Sept. 2022)

Die SP hat ihre Kampagne gegen die AHV-Reform mit der Erhöhung des Frauenrentenalters verloren. Die SP-Exponenten werden sich damit trösten, dass die Niederlage knapp war und dann zum Tagesgeschäft übergehen. Doch das ist ein Trugschluss. Die Niederlage am letzten Abstimmungswochenende weist weit darüber hinaus. Die Abstimmungsniederlage ist ein Zeichen dafür, dass die SP (und die Gewerkschaften) beim Thema AHV zu einem Non-Valeur geworden sind. Sie spielen für die zukünftige Gestaltung und Reformschritte keine Rolle mehr.

Nichts zeigt diesen Sachverhalt deutlicher auf als das Streitgespräch zwischen Mattea Meyer und Eveline Widmer-Schlumpf in der NZZ (9.9.2022). In diesem Gespräch spulte die SP-Co-Präsidentin routiniert die SP-Argumente ab und wurde von der ehemaligen Bundesrätin nach Strich und Faden ausgespielt. Wenn es um die Kompetenz, sowohl in argumentativer wie auch in fachlicher Hinsicht, in der Parteileitung derart schlecht bestellt ist, dann muss man sich nicht wundern, wenn die SP in dieser Sache nicht mehr ernstgenommen wird.

Welche Argumente brachte Mattea Meyer in diesem Streitgespräch gegen die AHV-Reform vor? Im Wesentlichen spielte sie die Frauenkarte und führte ins Feld, dass es sich bei der Reform um eine Abbauvorlage handle und dass der Zustand der AHV-Finanzen immer schwarzgemalt werde. Diese Argumente zeugen von fachlicher Inkompetenz oder Ignoranz gegenüber der AHV.

Wer mit gleichem Budget doppelt so lang Ferien machen will, darf pro Tag nur noch die Hälfte ausgeben, um über die Runden zu kommen. Das lernen die Kinder heute in der Primarschule, wenn sie in der Mathematik die Proportionalität einüben. Diese Kinder wissen somit auch, dass das Geld nicht reichen kann, wenn die Menschen immer älter werden und das Rentenalter nicht angepasst wird.

Wenn die SP-Exponenten keine Antwort auf diesen Sachverhalt finden, sondern krampfhaft versuchen, mit einem Pseudo-Narrativ die Diskussion auf andere Wege zu leiten, dann wirken sie hilflos und unglaubwürdig. Mehr noch, sie verweigern die Diskussion. Und dann lohnt es sich nicht mehr, mit ihnen über die AHV zu diskutieren.

Wenn wir begreifen, dass ein steigendes Lebensalter bei gleichbleibendem Rentenalter zwangsläufig dazu führt, dass die AHV reformiert werden muss, dann führen die Argumente betreffend Leistungsabbau und schwarzgemalten AHV-Finanzen ins Leere. Nur wer die Grundlage des Reformbedarfs bei der AHV akzeptiert, qualifiziert sich für eine lösungsorientierte Diskussion. Über die Art der Reformen können wir dann immer noch streiten. Aber wenigsten ist das ein Streit, der sich am sachlichen Ziel ausrichtet und dabei die Interessen der beteiligten Gesellschaftsgruppen berücksichtigt.

Der SP (-Führung) dagegen geht es ausschliesslich um die Machtpolitik, konkret um die Vetomacht. Zurecht ist die SP am letzten Wochenende an der Urne abgestraft worden.

Benno Luthiger (ehemaliger SP-Gemeinderat Stadt Zürich)


Dieser Text ist als Leserbrief im p.s. (30. Sept. 2022) veröffentlicht worden.


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