Navigation


RSS: Artikel / Kommentare



Positionspapier "Arbeit und Kaufkraft für alle"

Vernehmlassungsantwort der SP9 Zürich zum Positionspapier "Arbeit und Kaufkraft für alle" der SP Schweiz

Das SP-Positionspapier "Arbeit und Kaufkraft für alle" beginnt mit der Forderung, die Wirtschaft habe den Menschen zu dienen. Ein Gemeinplatz, niemand würde das Gegenteil behaupten. Diese Feststellung dient der SP, die Forderung nach Vollbeschäftigung und Verteilungsgerechtigkeit abzuleiten. Hier beginnen die Probleme. Das Postulat der Verteilungsgerechtigkeit ist eine normative Forderung. Es beruht auf bestimmten Wertvorstellungen und kann nicht logisch aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tatsachen abgeleitet werden. Eine Wirtschaftspolitik, welche sicherstellt, dass sich die wirtschaftliche Situation der Ärmsten verbessert, kann ebenso den Menschen dienen, wie eine strikte auf Verteilungsgerechtigkeit ausgerichtete Wirtschaftspolitik, auch wenn erstere in Kauf nimmt, dass die Reichen von diesem Prozess stärker profitieren. Mit anderen Worten: Auf Grund der empirischen Tatsachen ist es möglich, eine Wirtschaftspolitik zu formulieren, die den Menschen nützt, die aber ohne das Postulat der Verteilungsgerechtigkeit auskommt.

Es soll damit nicht gesagt sein, dass die Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit per se falsch ist. Wir wollen bloss darauf hinweisen, dass diese Forderung auf normativen Grundsätzen beruht und nicht objektiv, d.h. logisch oder wirtschaftswissenschaftlich begründet werden kann. Verteilungsgerechtigkeit ist eine Forderung der SP, welche die Werthaltung der SP widerspiegelt. Dagegen ist wenig einzuwenden. Schlecht, da unehrlich, ist es aber, ein solches Postulat als objektiv zwingend darzustellen.

Von Bedeutung ist diese Feststellung, weil sie den Ton aufzeigt, in welchem das SP-Positionspapier gehalten ist. Es werden allgemein anerkannte Sachverhalte festgestellt und von diesen ausgehend in objektivem Stil vorgetragene Folgerungen abgeleitet. Erst in einem nächsten Schritt tritt dann die SP als handelndes Subjekt auf den Plan und stellt konkrete Forderungen an die Politik. Mit dieser Vorgehensweise suggeriert das Positionspapier eine objektive Vorgehensweise, kaschiert aber, dass die Basis der Forderungen der SP nicht objektive Tatsachen, sondern subjektive, d.h. von den Werturteilen der SP geprägte Annahmen sind.

Dieses Gemisch aus objektiv formulierten Darstellungen, welche Wertfreiheit suggerieren einerseits und pointierten politischen Forderungen andererseits durchzieht das gesamte Positionspapier und macht eine nüchterne Analyse des Werks nicht einfach.

Zu den Beschäftigungszielen allgemein:

Die SP stellt im vorliegenden Positionspapier diverse Forderungen auf, welche die Kosten der Arbeit explizit erhöhen. Es sind dies die Forderung nach einer Reduktion der Arbeitszeit (Punkt 5), nach Erhöhung der Reallöhne (Punkt 7) und nach einem garantierten Mindestlohn (Punkt 11). Solange man davon ausgehen muss, dass der Arbeitsmarkt wie jeder andere Markt funktioniert und somit von Angebot und Nachfrage bestimmt ist, muss auch man auch damit rechnen, dass eine Verteuerung des Faktors Arbeit zu einer Verrringerung der angebotenen Arbeitsplätze führt. Die SP fordert im Positionspapier verschiedentlich eine kohärente Wirtschaftspolitik. Diesem Ziel wird sie selbst kaum gerecht, wenn sie einerseits Forderungen stellt, die eine Erhöhung der Kosten des Faktors Arbeit zur Folge haben, gleichzeitig aber auch eine Halbierung der Arbeitslosigkeit verlangt. Zumindest müsste die SP in diesem Papier zeigen, wie mit einer Umsetzung anderer Forderungen der Effekt der Veminderung des Stellenangebots auf Grund der erhöhten Kosten der Arbeit umgekehrt werden könnte.

Die Forderung nach einem garantierten Mindestlohn von Fr. 3000.- ist noch in weiterer Hinsicht bedenklich. Eine solche Forderung steht in deutlichem Widerspruch zum Postulat der Eingliederung von Personen mit prekären Qualifikationen in die Arbeitswelt. Die Frage der Existenzsicherung ist vom Thema des Arbeitseinkommens zu entkoppeln. Gerade Personen mit prekären Qualifikationen erhalten die Möglichkeit der Eingliederung in die Gesellschaft am leichtesten über die Integration in die Arbeitswelt. Mindestlohnforderungen stellen für solchen Bestrebungen grosse Hindernisse dar. Die Existenzsicherung könnte über ein garantiertes Mindesteinkommen (GME) problemlos unabhängig vom Arbeitseinkommen sichergestellt werden.

Zum Punkt 4:

Innovation, Risikokapital, KMU

Im einleitenden Abschnitt bei der Zusammenstellung über mögliche Ursachen von fehlernder Innovation und mangelndem Risiko in der Schweiz findet sich die bedenkenswerte Aussage, dass sich „fähige Personen eher als Angestellte denn als Unternehmer/in„ sähen. Diese Bemerkung findet in den anschliessenden Forderungen dann leider keinen Ausdruck. Zu diesem Thema auszuführen wäre, dass fähige Personen so lange ein Angestelltendasein bevorzugen, wie die Anreize gegen eine Übernahme von unternehmerischem Risiko sprechen. Unternehmerisches Risiko muss stärker belohnt werden, will man erreichen, dass vermehrt entsprechend befähigte Menschen den Schritt zu unternehmerischem Handeln wagen. Eine solche Politik steht aber in deutlichem Widerspruch zu den die SP leitenden Bestrebungen nach mehr Verteilungsgerechtigkeit.

Als Forderung in diesem Punkt taucht der Wunsch nach Vereinfachung der Administration auf. Sicherlich können administrative Prozesse gestrafft werden. Eine wirkungsvolle Vereinfachung der Administration kommt aber nicht um eine effektive Deregulierung, um eine Streichung unnötiger und eine Straffung notwendiger Regulierungen herum. Viele der Forderungen der SP in diesem Positionspapier (speziell im Punkt aktive Arbeitszeitpolitik) lassen sich aber kaum umsetzen, ohne dass zusätzliche Regulierungen eingeführt werden.

Zum Punkt 6:

Infrastruktur / Service public

In diesem Punkt glänzt das Positionspapier durch erstaunlich wenig Vertrauen in den Markt. Es ist schwer verständlich, dass die SP in diesem Punkt für die ausgegliederten ehemals staatlichen Betriebe (Swisscom, Post etc) starke Unternehmungen mit monopolähnlichem Status fordert, im nächsten Punkt aber mehr Wettbewerb in der Binnenwirtschaft. Es ist schwerlich möglich, dass der Bund eine kohärente Wettbewerbspolitik betreiben kann, wenn er gleichzeitig auf dem Markt Mitspieler ist.

Die Forderung nach einem guten Service public, nach einem flächendeckenden Angebot eines Produkts bzw. einer Dienstleistung ist von der Anbindung an einen bestimmten Anbieter zu lösen. Wenn sich der Souverän entscheidet, dass z.B. das Bahnangebot flächendeckend sein soll, so kann die öffentliche Hand diese Dienste auf dem Markt einkaufen. Es ist per se nicht notwendig, einen solchen Dienst selber zu produzieren oder einen ausgewählten Anbieter bei der Bereitstellung des gewünschten Diensts speziell zu unterstützen.

Zum Punkt 7:

Massenkaufkraft

Die Behauptung, die Kaufkraft der LohnempfängerInnen in der Schweiz habe in den neunziger Jahren deutlich abgenommen, ist mit Sicherheit falsch. Mit Ausnahme der Erzeugnisse und Dienstleistungen im Gesundheitsbereich sind die Produkte mit ähnlicher Qualität in den letzten Jahren massiv billiger geworden, wo die Preise gleichgeblieben sind, ist die Qualität stark gestiegen. Auf diese Weise haben in den Jahren der wirtschaftlichen Krise neben den KapitaleigentümerInnen auch die KonsumentInnen profitiert. Dies hat dazu geführt, dass sich die Kaufkraft in den letzten Jahren auch für LohnempfängerInnen nur unwesentlich verändert hat.

Zum Punkt 8:

Konjunkturpolitik

Das Ziel einer guten Wirtschaftspolitik ist es, den Wohlstand der Bevölkerung zu steigern. Zweifellos kann dieses Ziel mit verschiedenen Massnahmen angesteuert werden und es ist sinnvoll, Wirtschaftspolitik als ein Bündel von Massnahmen zu verstehen. Dies spricht aber nicht gegen eine wirkunsvolle Arbeitsteilung unter den verschiedenen Aktoren, die am wirtschaftspolitischen Prozess beteiligt sind. Es ist nicht einzusehen, warum die Nationalbank sich z.B. mit dem Auftrag einer gerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen beschäftigen soll, einer Aufgabe, welche die Nationalbank mit Sicherheit überfordern würde. Wir finden es naheliegend, dass die Nationalbank sich vorrangig um die Preisstabilität kümmert und die anderen Aufgaben denjenigen Aktoren überlässt, die dazu besser geeignet sind. Auch ist der Einschätzung von Preisstabilität (und Wirtschaftswachstum, gesunden Staatsfinanzen und aussenwirtschaftlichem Gleichgewicht) als bloss nachgeordneten Zielen zu widersprechen. Preisstabilität und die anderen aufgeführten Faktoren sind überhaupt keine Ziele, sondern Bedingungen für Vollbeschäftigung und damit Wohlstand in der Schweiz. Es ist unsinnig, für heute Vollbeschäftigung mit Methoden anzustreben, mit denen man riskiert, diese Vollbeschäftigung auf Grund fehlender wirtschaftlicher Stabilität schon morgen wieder zu verlieren.

Als Gesamteindruck wirkt das vorliegende Positionspapier der SP in vielen Punkten wenig ausgegoren, widersprüchlich und uninspiriert. Den Anspruch, eine kohärente Wirtschaftspolitik zu formulieren, kann die SP mit diesem Werk nicht erfüllen.

Für die SP9

Benno Luthiger (1. Mai 1999)