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Bemerkungen zu Schweizer Parteien

Kürzlich wurde im Schweizer Fernsehen eine Diskussionssendung über die „Krise der SP“ ausgestrahlt. Diese Etikette ist, was die gegenwärtige Befindlichkeit der Partei betrifft, völlig deplaziert. Immerhin gab die Sendung aber der SP-Vertretung die Möglichkeit, mehr als eine Stunde gratis für die Partei Werbung zu machen.

Die SP hat eine unglückliche Präsidentschaft hinter sich, welche von den Medien genüsslich ausgeschlachtet wurde, ohne dass dies der Partei bei den letzten Nationalratswahlen gross geschadet hätte. Tatsache ist, dass die Partei ihr Plafond erreicht hat. Ohne frischen Zug nach vorne tendiert die Partei zu Seitwärtsbewegungen. Sie tritt an Ort.

Damit wird ein Problem offensichtlich, welchem die SP in verschärftem Mass gegenübersteht. Die SP leidet an einer Kluft zwischen pragmatisch politisierenden Mitgliedern in Exekutiv-Ämtern und der Nationalratsfraktion einerseits sowie einer links-konservativ argumentierender Basis andererseits. Ausdruck dieser Kluft ist, dass aus der Basis kommende Personen, welche sich für ein Amt zur Wahl stellen, entweder auf Grund ihrer fundamentalistischen Argumentation nicht wählbar sind. Wenn solche Personen aber trotzdem einmal gewählt werden, so scheitern sie an ihrem Politikstil, weil ihre Denktradition ihnen für die Probleme, welche sie in ihrem Amt antreffen, keine Lösungsmöglichkeiten anbieten. Als dritte Möglichkeit bleibt, dass die gewählte Person ihre Position revidiert, um zu einer tragfähigen Basis für ihre politische Arbeit zu kommen. Mit diesem Schritt entfremdet sich die gewählte Person aber von der Basis. Das führt dazu, dass die SP äusserst schlecht in der Lage ist, aus ihren natürlichen Aushängeschildern Gewinn zu ziehen.

Was der SP im Moment fehlt, ist ein frischer Zug, eine Aufbruchstimmung, eine Begeisterung, welche sich ergibt, wenn ein gemeinsames Ziel verfolgt wird.

In diesem Punkt unterscheidet sich die SP vollständig von der SVP. Deren nun schon seit rund drei Legislaturperioden anhaltenden Erfolge bei den Wahlen geben dieser Partei einen Nimbus der Unfehlbarkeit und Unangreifbarkeit. Die Partei strahlt eine Selbstvertrauen aus, welche ihre Konkurrentinnen erblassen lässt. Dieser Umstand lässt vergessen, auf welchen Grundlagen die Erfolgsgeschichte der SVP beruht.

Die SVP profitiert eindeutig vom grosszügigen Mitteleinsatz von Blocher. Ausserdem ist diese Partei auf tiefem Niveau angetreten, was das Wählerpotential betrifft. Wenn eine Partei in der Schweiz maximal 25% Wählerpotential auf sich vereinigen kann, so ist es einer Partei, die von 12% startet, länger möglich, Zunahmen vorzuweisen und ihren Aufschwung zu pflegen. Es darf nicht vergessen werden, dass auch die SP unter Bodenmann in den 90er Jahren eine Erfolgsgeschichte vorweisen konnte. Ihr Pech war, dass sie schon 1995 ihr natürliches Potential ausgeschöpft hat, zu einem Zeitpunkt, als sich ihr Schwung noch nicht verstetigt hatte.

Mit dem anhaltenden Erfolg konnte der Aufschwung der SVP eine Eigendynamik entwickeln. Sieger haben immer Recht. Sieger sind anziehend für Personen, welche gerne auf der Siegerseite stehen. Eine Partei, die im Aufschwung ist, bietet vielfältige Möglichkeiten zur politischen Betätigung an. Die SVP wird so attraktiv für Leute, die politisch etwas erreichen, eine politische Karriere machen wollen.

Diese Argumentation macht ein Ende des SVP-Erfolgs absehbar. Die Basis des jetzigen Erfolgs der SVP ist der Grund für ihr zukünftiges Scheitern. Der Schwung der SVP wird dazu führen, dass sie bezüglich des Potentials in der Wahlbevölkerung überschiesst. Spätestens wenn die SVP mit einem noch so hohen Mitteleinsatz Verluste in ihrem Bestand in den Parlamenten hinnehmen muss, wird der Glanz der Partei abrupt abbröckeln. Dies ist dann auch der Zeitpunkt, wo es der SVP nicht mehr gelingen wird, ihre inhaltliche Widersprüchlichkeit zu überdecken.

Diese Widersprüche sind eklatant und es ist erstaunlich, dass die anderen Parteien daraus nicht Profit zu ziehen imstande sind. Die SVP forciert in wirtschaftlichen Bereichen eine Politik, die zu Resultaten und gesellschaftlichen Veränderungen führt, vor denen die SVP ihre Wählerschaft zu schützen vorgibt. Dieser Widerspruch hat sich z.B. bei der Abstimmung um die 18% Initiative gezeigt. Die Schweizer Wirtschaft benötigt für ihren moderaten Aufschwung dringend frische Arbeitskräfte. Diese kann ihr die einheimische Bevölkerung aber nicht alleine zuführen. Die Wirtschaft ist so auf einen Zustrom von ausländischen Arbeitskräfte angewiesen. Dieser Zustrom wäre nach Wunsch der SVP-Basis und bei einer Annahme der Initiative gestoppt worden.

Die Zukunft der SVP scheint klar: Aus einer siegesgewiss voranschreitenden Partei wird eine von tiefen inhaltlichen Auseinandersetzungen und Zerwürfnissen geprägte SVP.

Mit einem besonders delikaten Problem sieht sich die SVP der Stadt Zürich schon bei den nächsten Wahlen konfrontiert. Eine Partei, welche mit dem Anspruch auftritt, grösste bürgerliche Partei zu sein, muss im Stadtrat vertreten sein. Schafft es die SVP auch ein viertes Mal nicht, eine eigene Person in den Stadtrat zu entsenden, macht sich diese Partei nicht nur lächerlich, sondern es zeigt auch schonungslos deutlich, wie niedrig ihre Personaldecke ist. Gelingt es ihr aber, einen Sitz zu erobern, so beginnen die Schwierigkeiten auf einem höheren Niveau. Zweifellos ist die Gemeinderatsfraktion der SVP, so wie sie in den letzten Jahren zu politisieren beliebte, ein Alptraum für jeden potentiellen Stadtrat dieser Partei. Eine solche Person kann entweder den Politikstil der SVP-Fraktion in den Stadtrat tragen und damit mit fliegenden Fahnen untergehen oder aber diese Person läuft Gefahr, von der eigenen Fraktion permanent im Regen stehen gelassen zu werden. In jedem Fall ist ein Scherbengericht vorprogrammiert.

Die Erfolgsgeschichte der SVP wird nicht bei den kommenden Zürcher Wahlen beendet, vermutlich auch nicht bei den nächsten Nationalratswahlen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit aber werden die übernächsten Zürcher Wahlen das Ende des Erfolgs der SVP einläuten.

Benno Luthiger (20.5.2001)