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EWZ und Service Public

Die Delegierten der SP Zürich haben an der Versammlung vom 6. April 2000 die Nein-Parole zur Ausgliederung des EWZs gefasst. Welche Position vertritt die SP gegenüber Ausgliederungs- und Privatisierungs-Projekten? Die Haltung der SP, so meine Analyse der Voten an diesem Abend, ist uneinheitlich und recht zwiespältig. Der eine Teil steht einer Ausgliederung des EWZ grundsätzlich positiv gegenüber, ist aber gegen die Vorlage, weil das Verteilnetz ebenfalls ausgegliedert werden soll. Der andere Teil ist gegen jegliche Privatisierungsvorhaben und sieht die Vorlage als erster Schritt in diese Richtung. Beide Richtungen wollen den Service Public schützen und beide liegen sie falsch mit diesem Argument.

Den dogmatischen Privatisierungsgegnern lässt sich mit einem Hinweis auf die Nahrungsmittelindustrie oder den Wohnungsmarkt leicht zeigen, dass die Frage nach den Eigentumsverhältnissen (d.h. ob staatlich oder privat) völlig unabhängig von der Frage nach der Versorgungssicherheit (was Service Public eigentlich heisst, aber offenbar niemand so verstehen will) ist. Die menschliche Existenz hängt weit stärker davon ab, ob man ein Dach über dem Kopf und genug Kalorien im Magen hat, als wie viel Strom aus der Steckdose fliesst. Dennoch käme es keinem vernünftigen Menschen in den Sinn, zwecks Stärkung des Service Public zu fordern, dass der Wohnungsbau und die Nahrungsmittelversorgung verstaatlicht werde. Diese Bereiche sind seit Menschengedenken in privaten Händen und sie funktionieren ohne Probleme nicht trotz, sondern weil sie von Privaten betrieben werden.

Was die Vorbehalte gegenüber der konkreten Vorlage betrifft, so steht die Ausgliederung des städtischen Verteilnetzes im Brennpunkt der Kritik. Das Verteilnetz sei ein natürliches Monopol, so die Argumentation, und müsse deshalb der direkten politischen Kontrolle unterstellt sein. Nun ist sich der Stadtrat in seiner Vorlage der Problematik dieser Monopolstellung des ausgegliederten EWZs sehr wohl bewusst und will mit einem Leistungsauftrag garantieren, dass jeglicher Strom undiskriminiert verteilt wird. Ich will nun die Frage beiseite lassen, ob ein Leistungsauftrag denselben Effekt hat wie eine direkte politische Kontrolle. Mit Fug und Recht kann man hier wohl verschiedener Meinung sein. Mir geht es darum zu zeigen, dass es bei der Frage ob Leistungsauftrag oder direkte politische Kontrolle allenfalls um ein paar Rappen mehr oder weniger Gebühren geht, dass damit aber keinesfalls die Versorgungssicherheit tangiert, geschweige denn gefährdet ist. Das Argument des Service Public verfehlt also auch im Falle einer moderaten Gegnerschaft zur Vorlage seine Wirkung.

Warum soll privatisiert werden? Ganz einfach, weil die Bevölkerung das will. Weil sie sich damit niedrigere Preise und einen besseren Service erhofft. Z.B. statt den unsäglichen Akonto-Zahlungen monatliche, punktgenaue Abrechnungen wie sie die schon ausgegliederte Gasversorgung offensichtlich problemlos zustande bringt. Das Beispiel der Liberalisierung des Telekom-Marktes kann zweifellos als Erfolgsgeschichte verzeichnet werden. Die Preise sind spektakulär getaucht und den früheren Einheitsapparaten der Telekom wird wohl kaum jemand nachtrauern. Auch die Zunahme an Arbeitsplätzen in diesem Sektor seit der Liberalisierung ist beeindruckend. Das mässige Abschneiden der Swisscom zeigt, wie schlecht es einem Unternehmen und damit seinen Arbeitsplätzen bekommt, wenn es zu lange vom Wettbewerb verschont bleibt. Die Folgerung aus diesen Überlegungen ist einfach. Sobald die Konsumenten (z.B. durch Auslandreisen) erfahren haben, wie billig ein Konsumgut sein kann, werden sie als Stimmbürger nachdrücklich ihr Recht einfordern. Deshalb ist es illusorisch anzunehmen, die Schweiz könnte sich den Liberalisierungstendenzen in Europa widersetzen. Dies wäre allenfalls möglich, wenn in der Schweiz die Demokratie abgeschafft würde. Eine Liberalisierung in Europa wird also eher früher als später eine ebensolche Massnahme in der Schweiz zur Folge haben. Die Frage ist, was mit den ehemaligen Monopolbetrieben passiert. Die Erfahrung zeigt, dass diese für den Wettbewerb nur schlecht gerüstet sind. Will man vorausblickend die Arbeitsplätze von Staatsunternehmungen schützen, muss man also diese Betriebe möglichst früh ausgliedern oder privatisieren. Eine solche Logik ist so zwangsläufig wie das Einmaleins und dies deshalb als liberale Zwangsgesellschaft abzutun, ist wohlfeile Demagogie.

Aus zwei Gründen bin ich überzeugt, dass der Zürcher Souverän am 18. Juni Ja zur Ausgliederung des EWZs sagen wird. Einerseits weil er gegenüber von Marktöffnungen positiv eingestellt ist, eingedenk der guten Erfahrungen mit der Liberalisierung der Telekommunikation. Andererseits weil die Gegnerschaft zur Ausgliederung mit einer widersprüchlichen Kampagne in den Abstimmungskampf zieht. Ich sehe schon die Befürworter der Vorlage auftreten und den Gegnern vorwerfen, sich für überhöhte Preise und bürokratischen Schlendrian stark zu machen. Will die SP das? Der eine Teil verneint und meint, man müsse differenzieren, man sei ja im Prinzip für die Ausgliederung, es gehe ja nur um den künftigen Status des Verteilnetzes. Sobald diese Vorlage verworfen sei, müsse man mit einer nachgebesserten Version die Ausgliederung des EWZs zügig vorantreiben. Der andere Teil der SP sagt, das ist uns egal. Kann man so einen glaubwürdigen Abstimmungskampf betreiben? Kann man so eine Abstimmung gewinnen?

Benno Luthiger (3. Mai 2000)