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EWZ-Ausgliederung: Nachbemerkungen

Die Vorlage zur Ausgliederung des EWZ wurde von der Zürcher Stimmbevölkerung verworden. Diese Ablehnung kam für alle Seiten überraschend. Die Kampagne gegen die Ausgliederung war zweifellos ziemlich gut und hat wesentlich zum Ergebnis beigetragen. Wie muss dieses Abstimmungsresultat gedeutet werden?

Ich will mich nicht all zu sehr auf die Äste wagen. Die Tatsache aber, dass die Vorlage in jenen Kreisen am deutlichsten verworfen wurde, in welche die SVP traditionell stark vertreten ist, lässt darauf schliessen, dass die Verwerfung der Vorlage kein linker Sieg ist. Gewonnen haben in dieser Frage die konservativen Kräfte, jene Kreise also, die gegen Veränderungen sind.

Ich will diesen Sachverhalt bloss konstatieren und nicht werten. Ich anerkenne, dass nicht jede Veränderung gut ist. Entsprechend ist auch nicht jeder Widerstand gegen eine Veränderung schlecht. Wenn z.B. die Schweizer Bevölkerung in den 70er Jahren veränderungsfreudiger gewesen wäre, hätte die Schweiz jetzt einiges mehr als seine fünf AKW. Eher eine grässliche Vorstellung, muss ich gestehen.

Mir geht es aber um einen anderen Punkt. Angesichts der Tatsache, dass es auf dieser Welt einen Stillstand nicht gibt, ist die Frage, ob wir Veränderung wollen oder nicht, die falsche Frage. Die richtige Frage ist, welche Veränderungen wir wollen. Welche Werte können wir bewahren in einer Welt, in welcher sich die Umstände mehr oder weniger radikal verändern?

Im konkreten Fall des EWZ stellt sich diese Frage in der Form: Wie kann der Wert des EWZ erhalten werden in einer Welt, in welcher der Preis für den Strom den Marktgesetzen unterliegt?

Ein Argument der Gegner der Ausgliederung des EWZ lautete, die Ertragslage des EWZ sei gut, eine Ausgliederung und ein möglicher Verkauf des Werks stelle eine Verschleuderung des Volkseigentums dar. Die Befürworter der Ausgliederung befürchten eine Wertminderung gerade im umgekehrten Fall. Ein kleines EWZ, welches aus politischen Gründen keine Koalitionen eingehen könne, sei den Preiskriegen auf dem liberalisierten Strommarkt hilflos ausgesetzt. Als Folge davon verliert das EWZ entweder Kunden oder es muss seinen Strom unter den Gestehungskosten verkaufen. Beide Möglichkeiten gefährden die momentan noch gute Ertragslage des Unternehmens.

Die Ausgliederungsgegner haben zweifellos recht, was die vergangene und gegenwärtige Ertragslage des EWZ betrifft. Die Argumentation der Ausgliederungsbefürworter dagegen reicht in die Zukunft und ist deshalb schwieriger zu überprüfen.

Der Wert eines Unternehmens ist nur mittelbar abhängig von seiner Geschichte und den Investitionen, die in der Vergangenheit getätigt worden sind. Der Wert eines Unternehmens ergibt sich direkt aus den zukünftigen Gewinnerwartungen. Mit anderen Worten: Die Erträge, die ein Unternehmen in der Vergangenheit abgeworfen haben, sagen wenig aus über den Gewinn dieses Unternehmens in der Zukunft und somit über seinen Wert in der Gegenwart.

Dieser Umstand sollte den Genossen in der SP und den Gewerkschaften aus folgendem Grund zu denken geben. Der Wert des EWZ bestimmt nicht nur den Erlös, welcher der Stadtkasse bei einer Privatisierung zufällt, sondern auch die Anzahl der Arbeitsplätze, welches dieses Werk anbieten kann.

Zweifellos ist die Vorlage für die Ausgliederung des EWZ mit schwerwiegenden Mängeln behaftet gewesen. Es spricht nichts dagegen, dass ein verbesserter Vorschlag erarbeitet und der Zürcher Stimmbevölkerung vorgelegt wird. In diesem Fall wird sich die SP entscheiden müssen, was sie erhalten will: Will sie Arbeitsplätze für gut qualifizierte Personen bei einem ausgegliederten EWZ erhalten oder den städtischen Eigentumsanspruch am EWZ, auch wenn damit die Ertragslage dieses Unternehmens und damit Arbeitsplätze gefährdet werden?■

Benno Luthiger (1. September 2000)