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Die SP9 kann ihre Kernkompetenz nicht erfüllen!

1999 versuchte die SP9, Ruedi Winkler ins Rennen für den Regierungsrat zu schicken. In diesem Jahr hat unsere Sektion das gleiche mit Dominique Feuillet für die Stadtratskandidatur versucht. Beide Male ist die Sektion schon früh gescheitert. Kandidatinnen und Kandidaten für weitergehende politische Ämter aufzubauen gehört zur Kernkompetenz einer Parteisektion. Weisen diese Fehlschläge auf Fehler in der Sektionsarbeit der SP9 hin? In den folgenden Betrachtungen will ich auf diese Frage eingehen.

Ruedis Versuch 1999 hat die SP9 mit viel Elan und Engagement mitgetragen. Vor der kantonalen Delegiertenversammlung hat Ruedi das Ziel seiner Kandidatur in einer anspruchsvollen und kritischen Rede erläutert. Meiner Meinung nach hat Ruedis Rede deutlich mehr Substanz enthalten als der Vortrag von Dorothee Jaun. Er hat aber auch etliche Genossinnen und Genossen überfordert. Weiter hat zu Ruedis Scheitern beigetragen, dass einige Feministinnen und Feministen diskussionslos eine Frauenkandidatur forderten.

Das Misslingen von Dominiques Kandidatur ist, so weit ich dies beurteilen kann, in der fehlenden Unterstützung auf diversen Ebenen begründet. Dominique konnte sich zwar der Unterstützung der Sektion versichern, nicht aber derjenigen Personen, welche unsere Sektion in den übergeordneten politischen Gremien repräsentieren. Diese Tatsache wirft nicht nur ein eigenartiges Bild auf Dominiques Kandidatur, sondern auch auf die Position der SP9 innerhalb der Stadtpartei. Aus meiner Zeit im Gemeinderat habe ich den Eindruck mitgenommen, dass die Gemeinderatsmitglieder anderer Sektionen innerhalb der Fraktion als VertreterInnen ihrer Sektion wahr- und ernstgenommen werden. Die SP9 dagegen ist in dieser Hinsicht weitgehend konturlos geblieben. Ich habe nie irgendwelche Bemühungen für einen transparenten Informationsaustausch, für gegenseitige Unterstützung und eine gemeinsames Profil unserer GR-Delegation festgestellt. Der Wissenstransfer von erfahrenen Gemeinderatsmitgliedern zu Neulingen erfolgte mehr oder weniger zufällig, war eher Ausdruck persönlicher Zu- oder Abneigung als Folge von organisatorischen und politischen Notwendigkeiten. Die Basis eines gemeinsamen Profils ist wahrgenommene Solidarität. Die Fraktion der SP9 hat oder hatte keine solche Basis.

Vor etwas mehr als einem Jahr, noch als Vorstandsmitglied, habe ich den Sektionsvorstand auf gewisse Mängel in seiner Arbeit hingewiesen. Ich war und bin der Meinung, dass unsere Sektion einen Teil der politischen Basisarbeit zufriedenstellend beherrscht. Mit den MVs und der Sektionszeitschrift kann die Sektion einigermassen wirkungsvoll lokalpolitische Themen aufgreifen und in den politische Prozess einspeisen wie auch übergreifende Themen für die politische Basis aufbereiten. Unsere Sektion scheitert aber regelmässig an der Aufgabe, Personen mit einem wahrnehmbaren Profil und weiter reichendem politischen Horizont aufzubauen und zu lancieren. Unsere Sektion hat keine Personen in ihren Reihen, die fähig sind, in einer Personenwahl zu bestehen. Im zweiten Kerngeschäft einer Parteisektion schneidet die SP9 miserabel ab.

Im Augenblick ist unsere Sektion mit diesem Unvermögen in einem Teufelskreis gefangen. Weil sie nicht fähig ist, ehrgeizige und politische versierte Personen zu unterstützen, engagieren sich solche potentielle Kandidatinnen und Kandidaten nicht in unserer Sektion. Weil solche Personen nicht Mitglied der SP9 sind, fehlt der Sektion ein Aushängeschild und dies mindert ihre Attraktivität für neue Mitglieder.

Wenn die SP9 längerfristig Erfolg haben und als politische Sektion ernst genommen werden will, muss sie diesen Teufelskreis durchbrechen. Dies gelingt nur, wenn die SP9 eine umfassende Strategie entwickelt und ein Bündel von Massnahmen ergreifen kann.

Als erstes müsste die Sektion in Erfahrung bringen, welche Mitglieder welches Potential und welche Ambitionen mitbringen.

Zweitens muss sich die Sektion eine Vorstellung verschaffen, was überhaupt eine gute Kandidatin, einen guten Kandidaten ausmacht. Momentan verhält man sich eher wie ein blindes Huhn in der Hoffnung, auch mal ein Korn zu erwischen und lässt sich dabei von Opportunitäten leiten bzw. überrumpeln. Meiner Meinung nach muss eine solche Person über die Fähigkeit verfügen, politische Situationen zu lesen und zu analysieren. Weiter muss sie selbstkritisch sein und einen ehrlichen Umgang mit Kritik pflegen. Last but not least muss eine solche Person andere politische Meinungen respektieren können.

Als drittes muss sich die Sektion überlegen, welche Ressourcen sie für welchen Zweck verwenden kann. In erster Linie sind es die Listenplätze, welche in diesem Zusammenhang strategisch eingesetzt werden können und müssen.

Viertens gilt es, das Wissen von aktuellen und ehemaligen MandatsträgerInnen zu sammeln und für die potentiellen KandidatInnen verfügbar zu machen. Ideal wäre eine Art Patenschaftssystem.

Mit solchen Vorarbeiten könnte die Sektion ein „Portofolio" von potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten aufbauen. Diese Personen stehen zu ihren Ambitionen und entsprechen den Selektionskriterien der Sektion. Auf dieser Basis müsste sich die Sektion verpflichten, solche potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten umfassend zu unterstützen. Das heisst, diese müssen die Möglichkeit erhalten, politische Erfahrungen zu sammeln und so an Profil wie auch Reputation zu gewinnen. Das setzt voraus, dass nicht nur der Sektionsvorstand, sondern auch die übrigen einflussreichen Sektionsmitglieder bereit sind, diese Personen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen. Ein solcher Prozess von „politischer Karriereplanung" muss unbedingt über einen Horizont von mehreren Jahren (ca. zwei Legislaturperioden) angelegt sein.

Was ist mit den Sektionsmitgliedern, welche sich einsetzen, ohne dass sie an einem solchen Programm teilnehmen? Die Sektion braucht engagierte Mitglieder, die bescheiden und realistisch sind. Es gibt viele politische Aufgaben und Positionen, welche von diesen Mitgliedern ideal besetzt werden können. Aber solche Mitglieder dürfen Personen mit weitergehenden Ambitionen nicht im Weg stehen. Sie dürfen die Ressourcen der Sektion nicht so weit binden, dass sie nicht mehr für den Aufbau von erfolgsversprechenden Kandidaturen ausreichen.

Der Vorstand war in seiner damaligen Zusammensetzung nicht in der Lage, meine Anregungen zu diskutieren. Vielleicht fällt es dem Vorstand in seiner aktuellen Zusammensetzung, um die Erfahrung der erfolglosen Kandidatur von Dominique bereichert, nun leichter, dieses Manko anzugehen.¦

Benno Luthiger (1. November 2001)